Im Taoismus geht man von einer alles durchdringenden Kraft, Wuji genannt, aus. Diese wesentliche Essenz des Lebens wird mit „Große Leere“ oder „Ruhe in Bewegung“ übersetzt. Mit Wuji ist ein anfangsloser, grenzenloser und unfassbarer Ur-Grund der Existenz angesprochen. Im Buddhismus kennt man hierfür auch den Begriff Shunyata (Leerheit). Aus dieser Leerheit folgt eine Spaltung in Dualität mit den Polen Yin und Yang. Während Yin nach unten in die Erde sinkt, hat Yang eine aufsteigende Qualität und geht Richtung Himmel. Wir Menschen stehen dazwischen und verbinden Himmel und Erde. Aus der Spannung von Yin und Yang entsteht eine dritte Kraft: Chi, was so viel wie „aufsteigender Dampf“ oder „Energie“ bedeutet. Chi ist Wuji in verdichteter Form. Diese Energie transformiert sich ständig und präsent sich in unterschiedlichen Formen. Die Fünf Wandlungsphasen sind unterschiedliche Manifestationen aus dieser Dreierkonstellation. Es sind fünf universelle Prinzipien oder Aspekte des ursprünglichen Chi, die wir auf unsere Gesundheit und unser Wohlbefinden anwenden können. Die Chinesen haben sie aus den Jahreszeiten und den Himmelsrichtungen abgeleitet. Wir können sie uns als fließende Energiephasen oder sich ständig ändernde Phasen des menschlichen Lebens vorstellen.
Die Wandlungsphase Wasser ist der Jahreszeit des Winters zugeordnet. Es handelt sich um eine sinkende Energie. So wie die Natur zur Ruhe kommt, kann sich der Mensch durch Rückzug, Zugang zu seiner wahren Natur erfahren. Es ist eine Zeit der Stagnation und gleichzeitig der Bewegung. Ein Bild hierfür ist ein zugefrorener Bach, unter dessen Eisdecke das Wasser mühelos weiter fließt. Diese Wandlungsphase manifestiert sich durch die Organe Niere und Blase. Diese Organe sind für unseren Wasserhaushalt zuständig. Dem Element Wasser sind Emotionen wie Angst zugeordnet. Der tibetische Meditationsmeister Chögyam Trungpa sagte: „Um Furchtlosigkeit zu erleben, ist es notwendig, Angst zu haben.“ Wenn wir Angst akzeptieren und uns mit ihr anfreunden, kann Vertrauen und Weisheit entstehen.
Die Wandlungsphase Holz wird mit dem Frühling und einer sich ausdehnenden Qualität assoziiert. Ein passender Vergleich ist das Bild von frischen Pflanzentrieben und Knospen. In den Lebensphasen entspricht es unserer Kindheit: eine Zeit voller Neugierde, Spontaneität und des Bewegungsdrangs. Der Phase sind die Organe Leber und Gallenblase zugeordnet. Bei unausgeglichenem Leber-Chi neigen wir zu Wut, während Selbstfürsorge und Mitgefühl mit ausgeglichenem Leber-Chi in Verbindung gebracht werden.
Die Wandlungsphase Feuer ist dem Sommer gewidmet: Flirrende Hitze, blühende Wiesen, betörende Düfte und surrende Insekten. Diese Jahreszeit möchte uns zum Mensch-Sein einladen. Wir lachen und tanzen und die Dinge wachsen von selbst. Dem Element Feuer sind Herz und Dünndarm zugeordnet. Wenn Energie sinkt oder sich erschöpft, werden wir eng und verschließen uns. Bei Überschuss werden wir über-aktiv oder aggressiv. Wenn die Energie ausgeglichen ist sind wir voller Lebensfreude und Begeisterungsfähigkeit. Ganz mit unserem Herz verbunden stehen wir in Verbindung und Kommunikation mit der Welt.
Die Wandlungsphase Erde ist dem Spätsommer und allgemein den Übergangszeiten zugeordnet. Der Spätsommer steht für feuchte Ackerböden und dem Sammeln von Früchten, die uns nähren. Im Lebenszyklus entspricht dies der Lebensmitte – ein Ort im Hier und Jetzt, von dem aus ich mich in alle Himmelsrichtungen, nach Außen und nach Innen, wenden kann. Es ist eine Zeit von Transformation, Reifung und Verdauung. Mit dem Element Erde stehen die Organe Magen und Milz in Verbindung. Ausgeglichenes Milz-Chi zeigt sich in der Verbundenheit mit der Welt. Unausgeglichenes Milz-Chi zeigt sich dagegen in Grübeln und Sorge.
Metall, die Energie der fünften Wandlungphase, wird im Herbst spürbar, wenn wir Abschied von der Fülle und Wärme des Sommers nehmen. So wie die Bäume ihre Blätter lassen, müssen auch wir Menschen loslassen. Die Organe Lunge und Dickdarm stehen für Loslassen und Ausscheidung. Der Buddha sagte: „Wenn man Festhalten und Loslassen verstanden hat, hat man den Dharma verstanden.“ Je mehr wir im Dharma angekommen sind desto dichter sind wir beim Wesentlichen angekommen.