ÜBER YOGA, MUT UND WIE MAN SICH SELBST LIEBEN KANN
Die biegsame, junge, weiße Frau ist zum Abziehbild der heutigen Yogakultur geworden. Dieses Klischee ist zurecht umstritten. Gut, dass Cyndi Lee in ihrem neuen Buch ehrlich und humorvoll über die Beziehung zu ihrem eigenen Körper schreibt. Die Autobiographie handelt vom Selbsthass – und dem Ausweg daraus. Yogalehrer Detlev Alexander hat es für uns gelesen.
65 Prozent der Frauen lieben ihren Körper nicht, schreibt die Autorin Naomi Wolf in ihrem Buch „Der Mythos Schönheit“ – mit fatalen Folgen für das gesamte Selbtwertgefühl. Cyndi Lee kennt das Thema nur allzu gut. Die amerikanische Yogalehrerin praktiziert und lehrt seit Jahrzehnten Vinyasa-Yoga und tibetischen Buddhismus. Auch mag sie ihren Körper nicht, gesteht sie in ihrer Autobiographie „Möge ich glücklich sein“ (Theseus-Verlag). Ja, sie hasst ihn sogar regelrecht. Aus dem Selbsthass ihrem eigenen Körper gegenüber hat sich schiere Selbstquälerei entwickelt. „Ich habe nicht den Körper, den ich will, und ich will auch nicht den Körper, den ich habe“, schreibt sie.
In ihrem neuen Buch stellt sie fest, „dass unser Selbstwertgefühl darauf basiert, wie wir uns fühlen, wie unser Körper aussieht“. Wie stark, leistungsfähig oder selbstbewusst man ist, fällt nicht so sehr ins Gewicht wie das (Selbst-) Bild, das aus unseren Gedanken über unseren Körper entsteht; Gedanken, während wir ihn im Spiegel betrachten oder während wir unser Körpergewicht mit dem Anderer vergleichen. Die Yogakultur macht es einem da nicht leichter: Wenn wir Yoga-Models in Zeitschriften sehen, werden uns Bilder von attraktiven, schlanken, durchtrainierten und stets gut gelaunten jungen Frauen vorgestellt. Cyndi Lee stellt fest, dass Yogapraktizierende – wie sie selbst auch – nicht immer diesem Ideal entsprechen.
Mit der Frage „Weshalb hasse ich meinen Körper so sehr?“ begibt sie sich auf die Suche nach Antworten. Sie nimmt uns auf berührende Art mit auf eine Reise von „gut genug“ zum „grundlegenden Gutsein“ unserer menschlichen Natur. Die erste Antwort auf ihre Frage zum Körperhass erhält sie von ihrer Mutter: „Wenn du hübsch und schlank bist, bekommst du mehr Aufmerksamkeit.“ Cyndi Lee beginnt die Prägungen ihrer Kindheit und ihres Erwachenenwerdens unter die Lupe zu nehmen. Sie erinnert sich an ihre Kindheit als Pfarrestochter sowie an ihre wilden Jahre als Tänzerin bei Cyndi Lauper in NYC. Um sich mit dem immer wiederkehrenden Selbsthass auseinander zu setzen, holte sie sich Rat bei unterschiedlichen Frauen, wie Louise L. Hay, einer spirituellen Lehrerin, Jamie Lee Curtis, ihrer Freundin, und Tenzin Palmo, einer buddhistischen Lehrerin. Neben dem Austausch mit unterschiedlichen Frauen skizziert Cyndi Lee kleine Geschichten aus ihrer Unterrichtserfahrung. Ihren Schülern lehrt sie immer wieder, dass jede und jeder, so wie sie oder er ist, gut und in Ordnung ist.
Cyndi Lee beschreibt schließlich die Meditation als eine Art des „Frieden schliessens mit sich selbst“. Dies sei der erste Schritt in Richtung Selbst-Akzeptanz und Selbst-Liebe. Sie definiert die Praxis der Meditation als ein Ausrichten unserer Aufmerksamkeit auf etwas beziehungsweise als ein Entziehen unserer Aufmerksamkeit jenen Dingen gegenüber, die wir nicht weiter fördern möchten. Tenzin Palmo gibt ihr den Rat, Maitri (Liebende Güte) für sich selbst zu praktizieren. Cyndi Lee gibt das Beispiel, dass wir uns unseren Geist sowie unser Herz wie einen Schwamm vorstellen. Werden wir gequetscht oder ausgedrückt, kommt das aus uns heraus, was wir praktiziert haben. Meist jedoch vergessen wir liebevolle Güte, Wertschätzung und Freundlichkeit für uns selbst zu praktizieren. Das Fazit des Buches ist, dass wir es selbst in der Hand haben, wie wir glücklich sein können. Diese Sichtweise ist für jedermann geeignet. Das Buch ist ehrlich, humorvoll und zeigt die Lebensweisheit des Yoga auf eine zugängliche Art und Weise.
“Möge ich glücklich sein” von Cyndi Lee, erschienen im Theseus Verlag